Det. Nichtsahnend gehe ich am späten Abend aus dem Haus, um eine Zigarette zu rauchen. Aus Langeweile öffne ich “20 Minuten” und bekomme zu lesen “Militärputsch in der Türkei – Breaking news”. Verdutzt öffne ich den Artikel und denke mir “blosses Gerede, hier ist doch alles in Ordnung” und nicht einmal einen Wimpernschlag später beginnt es.
Es werden Schüsse abgefeuert. “Die kommen von weither” sage ich mir, “ich bin hier sicher” und gehe in die Wohnung. Dort angekommen verfolge ich die Nachrichten bis plötzlich steht: “Soldaten sind in Istanbul einmarschiert.” Unsicher verkünde ich diese Nachricht meinen Familienmitgliedern, die hysterisch vom Balkon ins Haus rennen. Im Moment bin ich noch die Ruhe in Person, doch das wird sich noch schnell ändern.
Die Schüsse kommen immer näher, und ich werde immer nervöser. Mit zitternden Händen versuche ich mir eine Zigarette anzuzünden, was jedoch nur sehr schwer klappt bei dieser Nervosität. Endlich angezündet ruft mir meine Cousine entgegen: “duck dich!”, und kaum war ich auf dem kalten Balkonboden, schwirrt ein Objekt, ich weiss nicht, ob es ein Helikopter oder Jet war, über unsere Köpfe hinweg.
Ich muss lachen, da ich weiss, dass sich so etwas niemals um eine kleine Familie wie die unsrige kümmert. Aber sicherheitshalber gehe ich doch lieber hinein. Wir verfolgen weiterhin gespannt die Nachrichten, in denen erzählt wird, dass die Armee die Regierung stürzen will. Als sich die Schüsse ein wenig beruhigen, werde ich unvorsichtig, zu unvorsichtig. Ich gehe zum Balkon und stecke mir wieder eine Zigarette in den Mund. Und plötzlich fielen fünf Schüsse nacheinander. Aufgrund der Lautstärke und der Tatsache, dass niemand sonst auf den Balkonen oder auf den Strassen war, befürchte ich, dass sie für mich gedacht waren. Entweder hatte ich höllisch Glück, dass der Schütze schlecht war, oder es waren lediglich Warnschüsse der Armee, um ihre Ausgangssperre auch bei mir durzusetzen.
Nun ist es 3:00 Landeszeit, die Parolen der Aufständischen und die Strassenschlachten in Istanbul verstummen langsam. Nur noch einzelne leise Schüsse und hupende Autos von Zivilisten, die sich der Armee entgegensetzten, sind zu hören. Jedoch ist der Flughafen immernoch eingenommen, was heisst – ich bin gefangen im Krieg, und der ist noch lange nicht zu Ende.