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Die Auserwählte Teil 5

Phyton fuhr herum, mein Pfeil in seinem Auge. Ich konzentrierte mich und achtete darauf, dass die brennende Pfeilspitze schön weiterbrannte und sich das Feuer ausbreitete. Bis er begriff, was geschah, stand sein ganzes Auge in Flammen. Dann griff er an. Sein Schwanz peitschte auf uns zu und Bruce zog uns in seinen Luftwirbel, während Zoey ihre Augen schloss und vermutlich irgendeine Form ihrer Kräfte suchte. Ich schloss ebenfalls die Augen und vertraute Bruce voll und ganz, dass er den Luftkokon vor Phyton schützen würde. Dann konzentrierte ich mich und summte. Ich sang davon, wie sich Phytons Körper verkleinern würde. Doch Phyton war aus irgendeinem Grund nicht bereit zum Schrumpfen. Egal wie ich sang, er blieb gleich gross. War er immun gegen Magie? Ich öffnete meine Augen wieder, um dem Kampf besser folgen zu können. Phyton hatte sich mittlerweile zu seiner vollen Grösse aufgerichtet und starrte uns mit bösen, gelben Augen an. Sein linkes Auge, dass ich angeschossen hatte, war kein bisschen verletzt. Mein Feuer konnte ihm also auch nichts anhaben. Was sollten wir dann tun? Meine Mutter, der Bruder von Zoey und Bruce’ Cousine lagen immer noch, eingekreist von Phytons langem Körper, am Boden. Wie konnten wir sie befreien? Und wie sollten wir Phyton besiegen?  
Zoey schlug ihre Augen auf. «Magie kann ihm nichts anhaben! Ich wollte das Wasser in seinem Blut raussaugen, aber es funktioniert nichts. Ich versuche es mal anders.» Mit diesen Worten sprang sie aus Bruce’ schützendem Luftwirbel. Sie zog ihre beiden Schwerter und rammte sie Phyton voll in den Körper. Sofort schoss Blut hervor, doch eine Sekunde später existierte die Wunde nicht mehr. Zoey sprang zurück und hob die Hände. Und da kam mir eine Idee. Als ich das letzte Mal meine Hände so hochhielt, verband ich meine Magie. Wie? Das weiss ich auch nicht so genau. Ich hatte es nicht geplant, nur instinktiv gehandelt. Ich war davon überzeugt das ich das erneut machen konnte. Doch konnte das auch wirklich funktionieren? Oder war Phyton auch gegen verbundene Magie immun? Ich musste es versuchen. Erneut schloss ich meine Augen und sang. Ich sang, dass Phyton in Flammen stünde. Gleichzeitig hob ich meine Hände und liess Phytons Körper in Flammen aufgehen, wobei ich darauf achtete, dass meiner Mutter und den beiden Kinder nichts geschah.  
Phyton schnaubte. Wirkte die verbundene Magie? Zoey blickte zu mir hoch und nickte erfreut. Dann sammelte sie Wasser aus der Luft und schwamm so zu uns in den Luftwirbel. Also ganz ehrlich, wie cool war das? Wir konnten zu dritt alle vier Elemente beherrschen. Bruce die Luft, Zoey das Wasser und ich Feuer und Erde. Als ich so grinste, Bruce den Rauch von Phytons schwelender Haut von uns weglotste und Zoey das Wasser wieder zurück in die Luft schickte, machte es klick in meinem Kopf. Phyton hatte sich so weit von meinen Flammen erholt, dass er sich wieder aufrichtete und uns wieder anfunkelten konnte. Er öffnete seinen grausigen Schlund und spie uns seinen ekligen, miefenden Atem entgegen. Verbundene Magie wirkte auch nicht, so viel stand fest. 
Doch was, wenn wir unsere elementaren Kräfte verbinden würden? Die Erde war aufgebaut aus diesen Elementen. Man sollte doch eine dämliche, zu gross geratene Schlange mit den elementaren Kräften besiegen können, nicht?  
«Wir müssen hier nochmals raus. Ich habe eine Idee, aber sie wird Zeit brauchen.» Bruce und Zoey wechselten einen kurzen Blick und nickten dann einträchtig. Bruce liess sein Luftwirbel höher schweben und wir waren viel schneller aus der miefigen Höhle draussen als wie wir reinkamen. Draussen atmeten wir erst einmal ein paarmal tief ein und aus. Dann schauten mich Zoey und Bruce fragend an.  
«Was für eine Idee, Elara? Du weisst, dass wir nur noch etwa sechsundzwanzig Stunden Zeit haben? Bitte sag mir, dass deine Idee funktionieren wird» Bruce schaute mich bittend an und ich holte tief Luft. «Wir müssen unsere Kräfte verbinden» Zoey schüttelte den Kopf. «Wir haben ja gesehen, dass ihm auch verbundene Magie nichts ausmacht. Weder meine noch deine, Elara» Bruce nickte. «Ich habe auch versucht, ihm die Luft zu entziehen, doch nichts funktionierte, es scheint so, als ob er gar keine Luft zum Leben brauchen würde!»  
«Ich meinte nicht, dass wir unsere Magie alleine verbinden, sondern wir zu dritt. Wenn wir unsere elementaren Kräfte zusammen nutzen würden, könnten wir Phyton so vielleicht besiegen. Bruce nimmt ihm die Luft, Zoey saugt sein Wasser aus dem Körper, ich lasse ihn in Flammen aufgehen und öffne gleichzeitig die Erde unter ihm, sodass er danach vergraben ist. Du Bruce müsstest unsere Liebsten in einem deiner Luftwirbel befreien. Was meint ihr?» Zoey nickte zögerlich und auch Bruce wirkte nicht so überzeugt. «Weisst du, Elara, die letzten Halbgötter, die ihre Magie gegenseitig verbinden wollten, starben. Sie verspürten solch grosse Macht, dass sie sich völlig darin verloren. Tarik und Lio, so hiessen sie, lebten vor etwa zweitausend Jahren. Tarik war ein Sohn von Apollo, Lio ein Sohn von Ares. Sie wollten zusammen den Minotaurus besiegen und kamen ebenfalls auf die Idee, ihre Magie zu verbinden. Ihre Geschichte endete in einem Desaster. Sie waren, wie schon gesagt, völlig fasziniert von so viel Macht und nutzten diese Macht auch. Der Minotaurus explodierte in Milliarden Einzelteilchen, verteilt über die ganze Welt. Doch Tarik und Lio waren nicht mehr zu stoppen. Sie zerstörten ganze Inseln. Du kennst vielleicht das sagenhafte Atlantis?» Atlantis? Natürlich kannte ich Atlantis. «Die versunkene Stadt?» Bruce nickte und Zoey fuhr fort «Atlantis gab oder gibt es wirklich. Tarik und Lio haben sie jedoch zerstört. Atlantis und alle sieben Inseln rund um die Stadt liegen jetzt im Reich meines Dads. Er hat jetzt seinen grössten Palast in Atlantis.  
Doch zurück zur Geschichte. Tarik und Lio war das Untergehen dieser sieben Inseln jedoch noch nicht genug. Sie wollten beweisen, dass sie mehr konnten, ohne dass sie jemand dazu aufgefordert hatte. Sie kamen zu dem Schluss, dass sie mächtiger seien als die Götter selbst. Dass kam bei den Olympier jedoch nicht so gut an. Besonders nicht bei ihren Vätern. Die beiden wurden innerhalb weniger Sekunden umgebracht und im Tartaros zu ewigen Qualen verurteilt.» Zoey verstummte und Bruce erklärte weiter. «Seit diesen beiden hat nie wieder jemand versucht, seine Magie mit jemand anderem zu verbinden. Wir sollten das auch nicht tun, finde ich.» Bruce endete und ich überlegte. Diese Geschichte war über zweitausend Jahre alt. Und ich war, zumindest in Athenas Augen, die Auserwählte, und die sollte ja mit ihren beiden Gefährten mächtigere Kräfte als je ein Heros zuvor besitzen. Zudem gab es Sinn, wir hatten zu dritt alle elementaren Kräfte. «Ich glaube wir sollten es versuchen! Immerhin haben wir uns bis hierher durchgeschlagen. Und Bruce», wandte ich mich an ihn. «Du hast selbst gesagt, dass wir drei die mächtigsten Halbgötter des Jahrzehnts seien.» Die beiden wirkten immer noch skeptisch. «Kommt schon Leute. Wir könnten alle vier Elemente miteinander verbinden. Diese Geschichte ist über zweitausend Jahre her und wir wissen von der Gefahr. Dieses Wissen sollte uns auch schützen, denn wir wissen vorauf wir uns einlassen.» Zoey nickte zögerlich. «Das ergibt schon Sinn. Und Athena hat mir immer eingebläut in Notsituationen oder so deinen Ideen zu vertrauen. Sie denkt, dass du so eine Art Spezialhirnmodus hast, der bei dir automatisch einsetzt, wenn es nötig ist. Und es ist ja so, dass Athena die Göttin der Weisheit ist und bis jetzt hatte sie immer Recht. Deshalb werde ich bei deinem Plan mitmachen. Auch wenn ich noch nicht zu hundert Prozent sicher bin, dass es eine gute Idee ist.», fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu. Ich blickte zu Bruce der verunsichert zwischen mir und Zoey hin und her blickte. «Und ihr glaubt wirklich daran das es funktioniert?» Ich nickte und Zoey erklärte: «Ich glaube an die Auserwählte» Dann nickte Bruce langsam. «Es ergibt schon Sinn, auch der Legende nach, denn wenn wir unsere Kräfte verbinden würden, wären wir wirklich mächtiger als jemals jemand zuvor. Auch mächtiger als Tarik und Lio, denn wir würden die Elemente und somit die Welt beeinflussen können!» Seine Augen glänzten mit einem gewissen Irrsinn und ein feiner, dunkler Schleier umhüllte ihn. War das der Gedanke an so viel Macht? Bruce blickte uns an, das Glänzen war verschwunden. Hatte ich es mir nur eingebildet? 
«Na dann los. Am besten halten wir uns an den Händen. Dann fliegen wir mit meinem Luftwirbel nach unten!» Ich nickte, nahm seine ausgestreckte Hand und hielt Zoey meine hin, doch sie ergriff sie nicht. Als ich sie fragend anblickte, sagte sie nur: «Es ist noch zu früh. Erst wenn wir die Magie verbinden.» 
Dann flogen wir zurück in die stickige Höhle von Phyton. 

Bild: Bruce Zeusaleum illustriert von Mia

Text: Selina

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