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Die Auserwählte Teil 6

Phyton blickte uns schon entgegen. Den Überraschungseffekt hatten wir also nicht mehr. Wir nickten uns zu, dann schlossen wir alle die Augen. Bruce würde es spüren, wenn Phyton uns zu nahe käme. 
Als Zoey doch noch vorsichtig nach meiner Hand griff, war es reine Energie, die uns alle fast erschlug. Ich fühlte, wie dieser Strom aus Magie durch uns alle hindurchfloss. Wir hatten zusammen extrem viel Kraft und ich spürte, dass wir alle den gleichen Gedanken hatten. Diese pure Energie auszuprobieren. Ich suchte mithilfe meiner Fähigkeit des Element Erde nach Phyton. Als ich ihn erspürte liess ich seinen Körper in Flammen aufgehen, die Gefangenen wurden von Bruce in einem Luftwirbel beschützt. Zoey zog das Wasser aus Phytons Blut, Bruce drückte ihm die Luft aus den Lungen und ich zupfte an ein paar der Fäden, die die Erde zusammenhielten. Dieses Mal war der Drang noch grösser an mehr und mehr dieser Fäden zu zupfen, sie zu zerreissen und zu zerfetzten. Ich spürte die Macht, die uns alle durchpulste und zerfetzte einen Faden nach dem anderen. Zoey ertränkte Phyton in seinem Grab, dass ich freigelegt hatte. Bruce drückte Phyton mit seiner Luftmagie ebenfalls nach unten, und ich liess Phytons Haut immer weiter brennen. Ich war wie in einem Bann und zerfetzte Faden um Faden. Fäden, die die Erde zusammenhielten. Je mehr ich zerfetzte, desto tiefer drang ich in die Erdstruktur ein. Je weiter ich in die Erde eindrang desto fester waren die Fäden gespannt und ich brauchte mehr Energie, um sie zu zerreissen. Rund um mich wurde es immer heisser und die Luft wurde immer feuchter. Irgendwann fing es an zu regnen, die Wassertropfen verdampften in der Luft, bildeten sich neu und verdampften wieder. Ein starker Wind tobte und Phyton sank immer tiefer und tiefer in die Erde ein.
Ich fühlte wieder nach den Fäden der Erde und zog noch mehr Energie von unseren neuen Energiequelle, um die immer dickeren Fäden unter immer grösserer Mühe zu zerreissen. Irgendwann ging es nicht mehr weiter. Da war nur noch Hitze, Licht und Energie. Ich spürte etwas Unzerstörbares. Was war das? Dann wurde mir etwas klar. Das war der Mittelpunkt der Erde. Schlagartig riss ich mich von der Faszination der Fäden los und riss die Augen auf.
Die Zerstörung verschlug mir den Atem. Wir schwebten in dem von Bruce geschaffenen Luftwirbel. Neben uns in einer anderen Luftwirbel waren unsere Liebsten. Die Luft war voller Staub und Funken und Dampf. Die Erde sah man überhaupt nicht mehr, überall schwebten Feuer, riesige Wirbelstürme rauschten umher und hin und Blitze beleuchteten den tiefschwarzen Himmel. Das waren wir. Ich erstarrte, unfähig einen klaren Gedanken zu fassten.
Plötzlich zog Zoey ihre Hand aus Bruces. Das Gefühl von so viel Energie verflog schlagartig. Bruce riss ebenfalls die Augen auf und erblasste.
«D-Das waren doch nicht wir, oder?» Seine Frage hatte einen flehentlichen Unterton. Ich blickte zu Zoey. Sie schüttelte leicht den Kopf.
«Bruce, bring uns hier weg. Wir müssen schauen, wie viel wir zerstört haben.»
Bruce nickte, froh eine Aufgabe zu haben. Er liess unseren und den Luftwirbel unserer Liebste aufsteigen.
 Ich musterte Zoey nachdenklich. «Habt ihr auch dieses unbeschreibliche Gefühl gehabt? Unendlich viel Energie? Und den starken Drang, diese pure Energie auszuprobieren?» Bruce nickte heftig. «Ich habe tausende von Wirbelstürme erschaffen, und keine Ahnung wie vielen Lebewesen die Luft abgeschnitten. Nur um zu schauen, ob ich das kann. Zoey?»
Sie schüttelte erneut den Kopf. «Ich habe riesige Tsunamis erschaffen, Stürme entfesselt und mit dem Grundwasser neue Höhlen und unterirdische Gänge erschaffen. Ich habe vielen Lebewesen das Wasser aus dem Körper gezogen oder ertränkt. Zu viele Leben, um sie zu zählen. Ich weiss auch nicht, ob es Insekten, Menschen oder Tiere waren. Ich habe nur die Lebensenergie gespürt. Und du Elara? Du hast als erste aufgehört, obwohl du zwei Elemente beherrschst und deshalb eigentlich doppelt so viel Kraft hättest wie ich oder Bruce. Was hast du gemacht?» In ihren Augen funkelte es. Ob aus Angst oder Neugier war nicht zu erkennen. Wahrscheinlich wegen beidem.
Ich schloss die Augen, um mir nochmals das Bild der Mitte der Erde hervorzurufen. «Ich habe Fäden bis zur Mitte der Erde zerfetzt» Bruce keuchte auf und in Zoeys Augen stand jetzt nur noch blanke Angst.
«Bis zur Mitte der Erde? Du meinst den Kern der Erde? Den Erdmittelpunkt?» flüsterte sie. Sie sah mich beschwörend an und flehte mich mit ihrem Blick an, dass ich doch bitte nein sagen sollte. Doch ich konnte nur nicken. «Bis zum Erdmittelpunkt. Ausserdem habe ich eine riesige Flammenwand ausgesandt und unzählige Leben verbrannt, geschmolzen oder vergraben.»
Wir sahen uns an und konnten nicht fassen, was wir gerade getan hatten. Bruce steuerte die beiden Luftwirbel mit etwa zweihundert Kilometern pro Stunde durch die, durch uns angerichtete, Zerstörung und wir waren immer noch nicht weg von dem Ganzen. Nur in der Ferne sah man ein kleines Licht. War das die Sonne? Langsam kam der Lichtpunkt immer näher und wurde grösser. Es war tatsächlich die Sonne!
Bruce verlangsamte unsere Luftwirbel und wir sahen uns neugierig und immer noch schockiert um. Soweit das Auge reichte, war aufgerissene Erde, die entweder in Tümpel versank oder aber von Feuern verbrannt wurde. Über der Erde hingen tiefschwarze Wolken aus denen Blitze zuckten, die von etliche Wirbelstürme erfasst wurden. Konnten wir das irgendwie stoppen?
Wir befanden uns mitten im Nirgendwo. Vor uns immer noch diese, durch uns verursachte, Katastrophe.
Unsere Liebsten sassen in ihrem Luftwirbel und Bruce liess die beiden Luftwirbel miteinander verschmelzen.
Ich umarmte Mama, Zoey drückte ihre Schwester an sich und Bruce erwürgte fast seine Cousine.
«Mama? Geht’s dir gut?» Meine Mutter strich mir eine Strähne hinters Ohr. «Ja, Schätzchen, alles in Ordnung. Danke für die Rettung. Wie geht’s dir?» Ich schluckte. Wie ging es mir? Ich hatte die Erde über mehrere Kilometer hinweg zerstört. Ich hatte die Erde bis zum Erdmittelpunkt aufgerissen. Bis zum Mittelpunkt. Der aus etwas unzerstörbarem bestand. Nur was war unzerstörbar?
«Schätzchen?» Meine Mutter blickte mich fragend an. Ich atmete einmal tief durch. «Mir geht’s so weit gut, Mama. Ich glaube, wir sollten-«, weiter kam ich nicht, denn grelle Blitze erhellten den Himmel. Ich sah zu Bruce hinüber, doch der starrte voller Furcht in den Himmel, er war also nicht der Verursacher. Die Blitze zuckten ein letztes Mal über den Himmel und verschwanden dann ebenso rasch, wie sie aufgetaucht waren.
Und dann stand da jemand.
Ein Gott.
Der König der Götter.
Bruces Vater.
Zeus.

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