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Die Auserwählte Teil 4

Das war so typisch Gott. Nur keine richtigen Anweisungen geben. Andeutungen reichten doch. «Also Zoey. Dann führ uns mal zu Phyton. Du musst ja nur dem Wasser folgen.» Ich kicherte und auch Bruce konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Zoey blinzelte mich verärgert an. «Du bist ja sooo lustig, Auserwählte. Aber ihre Stimme hatte keinen gehässigen Unterton mehr. Sie schloss die Augen und kauerte sich nieder. Mit beiden Händen fuhr sie über den uralten Steinboden. Ihre Hände spannten sich an und Schweiss lief ihr über die Stirn. «Bruce! Speer. Boden. Jetzt!» Bruce reagierte blitzschnell und rammte seinen Speer in den Boden. Wasser schoss heraus, doch bevor es auf uns niederklatschen konnte, schickte Bruce seinen Wind.

Zoey hielt mir ihre Hand hin. «Wir springen. Kannst du die Steine noch weiter auseinanderdrücken?» Wie sollte ich denn Steine bewegen, die seit Jahrtausenden am selben Ort lagen? War das wieder so eine Fähigkeiten der Auserwählten? Oder hatte das etwas damit zu tun, dass ich Apollos Tochter war und dass hier ein ihm geweihter Platz war? Ich musste es auf jeden Fall versuchen. So wie bei den letzten Malen, wenn ich eine neue Fähigkeit nutzen wollte, schloss ich die Augen und konzentrierte mich.

Zuerst spürte ich nichts. Dann hörte ich das leise Abbröckeln von loser Erde. Und dann war es zu laut. Ich konnte alles hören, was sich in mehreren Metern Entfernung im Boden bewegte. Vom langsamen Wachsen der Wurzeln bis zum Schnarchen von einem Maulwurf. Instinktiv legte ich eine Hand auf den Boden. Ich spürte die Wurzeln und die Verbindungen von Erde, Stein und Lehm die den Boden zusammenhielten. Vorsichtig zupfte ich an ein paar dieser Fäden und hörte einen Jubelschrei. Gefolgt von einem Angstschrei als ich noch einen weiteren Faden mit blosser Gedankenskraft zerriss. Ich wollte noch mehr zerreissen. All diese Fäden hingen so fest zusammen. Es war eine Herausforderung sie alle auseinander zu reissen. Und ich spürte meine Macht mit einem leisen Seufzen aufwachen. Ich hatte genügend Kraft. Ich könnte die ganze Gegend in Stücke reissen.

«Elara!» Jemand gab mir eine Ohrfeige. «Elara! Was zum Hades sollte das?» Zoey! Das war Zoey die mich geschlagen hatte! Aber wieso? Ich hatte das Loch erweitert so wie sie es mir erklärt hatte.

«Bei Athe- äh verdammt noch mal, Elara! Du hast ganz Delphi dem Erdboden gleichgemacht! Spinnst du?» Bruce klang wütend. Und ein bisschen Angst schwang ebenfalls in seiner Stimme mit. Er hatte Angst. Vor mir. Er hatte Angst vor mir. Und ich hatte wirklich die ganze Gegend dem Erdboden gleichgemacht. Wir waren wieder in einem von Bruce’ Luftkokons und unter uns sah ich wie sich eine riesige Staubwolke langsam legte. Darunter kam ein grosser Krater hervor. Im Umkreis von über einem Kilometer, wo früher Wälder standen war jetzt nichts mehr zu sehen ausser Sand und Erde.

«Das war ich?» Zoey und Bruce nickten. «Du hast zu viel Macht. Du bist deiner Macht total verfallen und hattest so eine dunkle Aura um dich.» Sogar Zoey hatte ein wenig Angst. Aber nicht vor mir, sondern vor meinen Kräften.

«Tut mir leid. Das wollte ich nicht.» Oder doch? Ich war wie in einem Rausch gewesen. «Was machen wir jetzt? Besiegen wir Phyton?» Bruce schüttelte den Kopf. «Wir haben noch vier Tage Zeit. Und wir müssen uns Ausruhen. Wenn man seine Kräfte zu oft nutzt, fühlen sie sich immer mächtiger an. Aber in Wahrheit hat man überhaupt keine Kraft mehr und braucht seine ganze Lebensenergie auf. Daher müssen wir uns alle zuerst ausruhen.»

Zoey nickte. «Lass uns unser Zelt aufbauen.» Bruce liess den Luftkokon sinken und wir packten unsere Ausrüstung aus.

«Elara. Du musst aufstehen, was essen und was trinken! Du hast achtundvierzig Stunden lang geschlafen. Wir müssen langsam los!» Bruce rüttelte an meiner Schulter herum und ich schrak hoch. Ich schnappte mir meinen Bogen und Pfeile und zog meine Jacke an. Zoey wartete bereits und stützte sich auf eines ihrer Schwerter. Bruce packte das Zelt zusammen und ich ass schnell ein paar der, nun schon ein wenig alten, Sandwiches. Dann lachten ich und Zoey über Bruce der sich in den Seilen des Zelts verfangen hatte. Er wollte sich mithilfe seiner Windmagie befreien, machte das Wirrwarr jedoch nur noch schlimmer. Nach ein paar Sekunden begriff Bruce das ebenfalls und schaute flehend zu uns rüber. «Könnt ihr mir vielleicht helfen?» Zoey grinste und schüttelte den Kopf. Ich fing an zu summen und die Seile rollten sich schön ordentlich zusammen auf das perfekt gefaltete Zelt. Bruce schaute dumm aus der Wäsche, Zoey kicherte und ich musste husten. Ich hatte in den zwei Tagen auch nichts getrunken. Zoey bemerkte es und hob eine Hand. Sie sammelte Wasser aus der Luft und schickte kleine Wasserbälle in meinen Mund. Ich musste lachen.

Das Leben als Halbgöttin fing an mir zu gefallen.

Und genau diesen Satz bereute ich, als wir in die Mitte des Kraters liefen und mehrere Stunden lang eine endlose Wendeltreppe hinunterliefen. Es stank, war stickig und superlangweilig. In regelmässigen Abständen wackelte die ganze Treppe und wir wurden von einem miefigen Wind fast umgeblasen. Das war der Atem von Phyton. Eigentlich hätten wir genügend Zeit gehabt, um uns irgendeinen Plan einfallen zu lassen, aber wir hingen alle unseren eigenen Gedanken nach und liefen schweigend Tritt für Tritt in unseren Tod. Denn davon waren wir alle überzeugt. Es war unmöglich ein Monster zu besiegen das sogar einem Gott Schwierigkeiten gemacht hatte. Egal was Gaias Weissagung verkündete und auch wenn ich die Auserwählte wäre, wir konnten das unmöglich überleben.

Die Höhle war riesig. Phyton ebenfalls. Diese Schlange war etwa tausendmal gross wie eine normale Schlange. Es stank fürchterlich nach Verfaultem und der grosse Schlangenkörper wand sich ununterbrochen um die Gefangenen. Sollte ich meine Fähigkeiten einsetzen? Oder mit Pfeil und Bogen auf das Monster zugehen? Zoey und Bruce standen schräg hinter mir und wussten ebenfalls nicht so genau, was sie tun sollten. Ich entschied mich. Spannte einen Pfeil in meinen mittlerweile vertrauten Bogen und liess die Pfeilspitze in Flammen aufgehen. Dann zielte ich auf Phytons Augen, die vermutlich das verletzlichste Körperteil waren, und schoss.

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